Heute geht es um Werbung, aber nicht irgendeine Werbung, denn dies ist die 13. Unheimlich-Episode, es geht daher um verfluuuuuchte Werbung.
Ich hab neulich erst wieder diese Werbung von einer Freundin geschickt bekommen und hab erklärt, dass ich das bereits damals im Fernsehen sah und es heute nicht mehr anklicken werde...
Ein Auto fährt eine Straße entlang, alles ist grün und friedlich, chillige Musik.. kennst man oder?
New York Times Artikel zu Werbung (paywall!)Hier ist es ziemlich klar; die Werbung will mit dem lustigen Schock-Effekt beeindrucken. Genauso gab es schon recht früh Werbung, die absichtlich Panik hervorrufen wollte, damit man deren Produkt erwirbt. Seltsame Idee, und das hat funktioniert!
Die Firma „Scott Tissues“ hat in den 1920er und 1930ern einfach behauptet, dass Menschen mit ihrem After öfter mal unters OP Messer müssten, weil sie zu billiges, schlechtes Toilettenpapier verwenden, was dann wiederum ihren Schließmmuskel schädige.
Quatsch natürlich. Diese Fake-News wurde daher auch verboten.
Als ich neulich mit Amelie ferngesehen hab, sprach ich sie auf auf eine Werbung an, die just vor dem laufenden Spot gezeigt wurde, erst einige Sekunden her, aber sie hatte bereits vergessen worum es ging.
Unsere Hirne schalten aufgrund der Menge an Werbung und deren Reizüberflutung einfach automatisch ab.
Die New York times hat eine Marktforschungsagentur zitiert, die behauptet, dass man als Stadtbewohner*In vor 30 Jahren am Tag mit rund 2000 Werbebotschaften konfrontiert wurde und es aktuell ca 5000 Werbe-Expositionen pro Tag seien.
https://www.nytimes.com/2007/01/15/business/media/15everywhere.htmlDa stellt sich den Werbetreibenden natürlich die Frage: wie will man in diesem Rauschen an massenhafter Werbung noch herausstechen?
Ich hab mir auch noch mal ne Liste an Merkmalen guter Werbung, also gut in Bezug darauf ob sie im Gedächtnis bleiben, angeguckt.
Ein Satz stach heraus für mich: „Sinnvolles ist dem Sinnlosen überlegen“
Das würde ich so tatsächlich nicht unterschreiben, denn das Beispiel über das wir heute sprechen werden, ist auf den ersten Blick eher nicht sinnstiftend und doch eventuell gerade deshalb so gut!
Ich werde noch ein wenig Hintergrund-Infos geben und dann darfst du's dir endlich ansehen.
Es handelt sich beim heutigen Mysterium um eine Werbung aus den 80er Jahren, in der laut der eben genannten Zahlen, vermutlich weniger als 2000 Werbebotschaften pro Tag beim Menschen ankamen und selbst da war es bereits nicht leicht, sich zu profilieren.
Wir schreiben das Jahr 1986, um genau zu sein. Es war das „internationale Jahr des Friedens“ und die Saatkrähe wurde zum Vogel des Jahres gekürt.
Es war schon ein wenig das internationale Jahr der Katastrophen, Flugzeugabstürze, gesunkene Schiffe, 1700 Tote durch Ausströmungen eines Gas-Sees, Erdbeben....
Dazu kamen dann noch Kleinigkeiten wie die Explosion des Space Shuttles Challenger, Und der Super-Gau in Tschernobyl.
In diesem Jahr erschien in Japan die verfluchte Werbung, um die es heute gehen wird.
Sie hat viele Menschen stark irritiert, verstört, angeblich einige Leben gekostet und es wird heute noch von ihr gesprochen. Erfolgreiche Werbung, zumindest wenn es um den Konsum der Werbung an sich geht, würd ich sagen.
Es geht um Taschentücher zum Einmalgebrauch. Kleenex!
Kurz zur Historie der Taschentücher, ich weiß ich hole aus, aber das ist relevant für Japans Verhältnis zu Taschentüchern:
Das Stofftaschentuch wurde erst um 1530 bekannt und dann wiederum erst 200 Jahre später zum Alltagsgegenstand.
Ab dem 18. Jahrhundert geriet das Peinlichkeitsempfinden der Leute dann völlig außer Rand und Band und man sollte sich nicht nur am Tisch nicht die Nase putzen, man sollte sogar die Verwendung des WORTES „Schnäuzen“ vermeiden!
Wobei ich das Wort „Schnäuzen“ ganz putzig finde, wenn ich darüber nachdenke.
In Japan, Korea, aber auch Mexiko z.B ist allgemein das öffentliche Schnäuzen ein Tabu. Es ist offenbar auf einer Stufe mit öffentlicher Preisgabe von Darmwinden.
Dafür darf man hingegen die ganze Zeit seine Rotze hochziehen, auch gern in de Öffentlichkeit. Kein Ding.
Stofftaschentücher haben jedoch viele Japaner*Innen häufig dabei, für allerlei Kleinigkeiten des Alltags, ohne Nasensekrete: mal verschüttet man was und kann es wegwischen, oder man kann sich damit den schweiß von der Stirn tupfen, alles ok.
Nicht ok ist es, in Japan ein Taschentuch zu verschenken! Denn es ist Zeichen von Trauer, aber auch Trennung. Wir kennen es auch, klassische TV Szene, wenn jemand am abfahrenden Zug steht, mit einem weißen Taschentuch rumzuwedeln...
Obwohl so verpönt, ist das Taschentuch in Japan trotzdessen eines der häufigsten Werbemittel und Studierende auf den Straßen verteilen Taschentuchpackungen mit Werbesprüchen...schräg. Aber vielleicht auch ein wenig logisch, wenn es als etwas intimes betrachtet wird.
Die Geschichte der Taschentücher und Stofftücher ist faszinierend und das Verhältnis Japans Bevölkerung dazu ein ambivalentes, wie man merkt.
Mit folgendem, bezeichnenden Tempo-Slogan aus den 1950er Jahren, schließen wir die Historie dazu ab und kommen dem Mysterium näher:
"Auf Schnupfen-Nächten liegt ein Fluch! Da hilft das TEMPO-Taschentuch." (1950er Jahre)
„Ein Fluch!“ uuuh ist die Wortwahl Zufall? Ich glaube nicht!
Es war also 1986 und Kleenex, das sich auf den amerikanischen und asiatischen Markt fokussierte, weil bereits Tempo die Triefnasen Europas erobert hatte, brauchte einen Werbespot.
Meine Vermutung ist, dass sie eine ehemalige Kunststudentin gefragt haben, die in der Agentur als Programmiererin angefangen hat und die entwickelte dann ein Story-Board für eine Kleenex-Werbung im David Lynch Stil...
Aber die Spannung ist ja nun kaum mehr auszuhalten. Und, was meinst du, spürst du schon den Fluch?
Der Fluch besagt nämlich, dass alle die das Video gucken, verflucht sein werden. Grausige Dinge werden auf euch zukommen, evtl. sogar ein furchtbarer Tod! Okay, hätt ich vielleicht vorher erwähnen sollen, aber der Tod rückt eh jeden Tag näher, oder die Unsterblichkeit, wer weiß: also wurscht.
Was soll uns das sagen?
Villeicht enthält die Werbung einfach unterschwellige Botschaften, die den Zusehenden ein Unwohlsein bereiten. Manche erklären sich das z.B. mit der Angst vor Schwangerschaft, sowohl bei Mann als auch Frau, aber vorallem bei Frauen, die dann ihr Alien-Baby im Bauch haben, was natürlich auch parasitär wahgenommen werden kann, wenn es ungewollt ist. So wie auch ein Dämon oder ein ähnlich schlechtes Wesen, von den Körpern guter Leute besitzergreifen könne.
Die Frau ist in weiß gekleidet, einige Menschen im Netz haben das dann mit Unschuld und Reinheit gleichgesetzt, die dann dementsprechend als weißes Tuch losgelassen wird, wobei das sogar die Seele der Frau repräsentieren könnte, die, wie in der Vorstellung mancher, nach dem Ableben entschwindet.
Allerdings ist die Farbe Weiß auch in Japan nicht durchgängig positiv besetzt. In der Shintō Religion Japans wird weiß, ähnlich wie bei, uns mit Reinheit und Harmonie assoziiert, im Buddhismus steht es jedoch für Tod und Trauer.
Das alles natürlich nachdem, oder weil, sie sich symbolisch mit dem Dämon und damit der personifizierten Dunkelheit und Bösheit anfreundet.
Leben und Tod, Gut und Böse, wir haben hier mal wieder sehr tiefgreifende menschliche Ängste, die dort erwachen.
Und die Technik dabei ist auch recht speziell. Es wird uns offenbar in slowmotion gezeigt, aber selbst wenn ich es bei youtube doppelt so schnell laufen lasse, sieht es irgendwie noch zu langsam aus. Erst dachte ich, es könnte auch rückwärts aufgenommen worden sein, aber nein. Dem ist offenbar nicht so.
Die Werbung ist wohl tatsächlich nicht allzulange im Fernsehen gelaufen. Angeblich, weil sich so viele Zuschauer*Innen beschwert hätten.
Massenweise sollen sie angerufen und von einem quälenden Gefühl berichtet haben. Eine große Menge der Anrufenden habe sich vor allem über die Musik empört.
Aber was wurde da gesungen?
NATÜRLICH konnte man da ganz eindeutig einen Deutschen Fluch hören!
Die Zuhörer*innen sagten, sie haben ganz genau gehört, wie jemand folgendes auf Deutsch gesungen habe:
"stirb, stirb, jeder ist verflucht und wird sterben".
Feine deutsche Dichtkunst. Ich konnte weder einen alten Fluch noch ein Lied mit solch stumpfem Text finden.
Und manche, die nachts noch vorm Fernseher hingen, berichteten, dass sich der Spot nach Mitternacht verändere! Das Oger Baby sei grün, oder blau, die singende Frau würde wie eine alte Frau klingen..solche Sachen.
Ebenso soll es sich verändern, wenn man es aufnimmt, aber da konnte ich bei den Beschreibungen nicht ganz nachvollziehen, was damit gemeint ist. Auf VHS aufnehmen? Oder mit der Kamera den Bildschirm abfilmen? Ich brauch da ne konkrete Anleitung, Leute so wird das nix mit der optimalen Verfluchungs-Experience!
Ich hab das Video nach Mitternacht bei Youtube gesehen und keine Veränderung bemerkt. Vielleicht liegt es aber an dem Medium Youtube? Andere haben sogar ECHTE Videos davon machen können, wie sich das alles vor ihren Augen und Kameras verändert habe!
grandios oder? Das ist ein bisschen wie beim Windows 98 Movie maker ein mal alle Filter durchprobieren.
Der rötliche Hintergrund soll auch nicht einfach nur in diesem klassischen 80er Jahre Umbra /Terra Kotza gefärbt, sondern natürlich mit Blut gemalt worden sein. Und die Seelen derer, deren Blut dafür vergossen wurde, sollen nun diejenigen bespuken, die das Video sehen oder es kreiiert haben.
Das wird auch der Grund dafür ein, dass jeder der an der Produktion des Werbevideos beteiligt war, schwer krank wurde oder sogar auf seltsame Weise verstarb!
Der Kameramann dieses Videos soll z.B unter nicht geklärten Umständen an einer Fehlfunktion in der Sauna gestorben sein! (Tod oder drohender Tod durch Sauna ist auch ein klassisches Movie Trope. Kinder, wenn ihr mal in einer Sauna eingesperrt seid, legt euch auf den Boden.)
Das Kind, dass das Dämonenbaby gespielt hat, soll ebenfalls unter myyysteriösen Umständen kurz darauf gestorben sein. (ein erneutes TV Trope, dass die Haut atmen müsse und man sonst erstickt, sei das Baby, komplett angemalt, daraufhin gestorben..quatsch)
https://www.snopes.com/fact-check/goldfinger-actress-death/Die Schauspielerin der Frau (Keiko Matsuzaka) wurde angeblich nach dem Dreh schwanger und habe daraufhin den Verstand verloren.
OOOder und da weichen die Berichte "etwas" voneinander ab: sie soll ein ECHTES Dämonenbaby geboren haben, durch welches sie dann umgebracht wurde.
Und da sind wir bei einer spannenden Thematik: dem japanischen Dämonenbaby-Mythos des Sankai
Der Sankai ist eine Form des Yōkai (yoo-kai), Yōkai ist ein Sammelbegriff für verschieden Arten von Geistern, Phantomen, aber auch dämonen-ähnlichen Wesen.
Sankai bedeutet grob übersetzt: Geburtsmonster. Süß.
Wenn eine Schwangere, so heißt es, während der Schwangerschaft nicht genug um den Fötus kümmert, wobei ich sagen muss, dass ich nicht herausfinden konnte was gemeint ist, ich kann nur raten, dass es in Richtung: Rauchen, Trinken während der Schwangerschaft geht, oder vielleicht auch das verdrängen der Schwangerschaft an sich?
Also wenn sie dem nicht genug Beachtung schenkt, dann gebärt sie statt eines Babys einen Sankai. Davon gibt es, je nach Präfektur Japans, verschiedene Varianten.
Sie sehen entweder aus wie haarige Schildkröten oder auch einfach wie ein mit Haaren bedeckter Fleischklumpen. Doch eins haben sie gemeinsam. Sobald sie geboren sind, machen sie sich schleunigst aus dem Staub und klettern unter das Haus der Schwangeren, in den crawl space, um sie dann bei der nächsten Gelegenheit umzubringen.
Das kann man verhindern, indem man einfach Raumteiler um diesen Bereich aufstellt, sodass da kein Sankai drunter kommt. Keine Ahnung wohin der dann entfleucht, aber das ist die einzige Möglichkeit, es sei denn man bekommt den Sankai rechtzeitig zu greifen und tötet ihn, aber das klappt wohl selten.
Also ab zu IKEA, Raumteiler besorgen, dann kann man in Ruhe gebären.
Nicht zu verwechseln wäre dieser Sankai, der der Schauspielerin geboren wurde und sie dann gekillt hat (was jedoch seltsam ist, da sie danach weiterhin TV-Auftritte hatte), mit dem Dämonbaby aus dem Video.
Dies ähnelt eher einem sogenannten Oni, einem bösartigen Dämon.
In der Thematik des Anime versierte Menschen, zu denen ich nicht zähle, haben auch die Ähnlichkeit zu beliebten Anime Charakteren aus "Urusei Yatsura" angeführt. Evtl. wollten die Produzenten also nur durch einen billigen Abklatsch von damals aktuellen Sympathieträgern ihre Produktwarhnehmung stärken.
Das Lied ist in Moll geschrieben, nur für sich genommen kann dies schon recht creepy sein. Der Text hingegen wirkt doch positiv, zumindest von den Worten her, nicht wie es gesungen wird.
Die Dissonanz zwischen Inhalt des Textes und der schaurigen Musik irritiert. Es ist ein wenig, als würde jemand im Horrorfilm sagen "alles wird gut, alles ist fein" obwohl der Schlächter um die Ecke steht.. und der Mensch selbst Angst hat und sich eher selbst beruhigen will.. Doch gucken wir uns den Textausschnitt der Werbung mal genauer an...
It's a Fine Day
People open windows
They leave their houses
Just for a short while
They walk by the grass
And they look at the grass
They look at the sky
It's going to be a fine night, tonight
It's going to be a fine day, tomorrow
Das ganze Original-Lied endet übrigens mit: "We will have salad" :D
Sie spazieren neben dem Gras, sie schauen sich das Gras an,
Heuschnupfenzeit Zeit für ein Kleenex!
They look at the sky...
Sie schauen hoch, weil ihnen Rotze (oder vielleicht Bluuuut?) Aus der Nase läuft
- Zeit für ein Kleenex!
Zunächst erinnerte mich das ganze natürlich an Suzanne Vegas Lied Tom's Diner, sicher vielen ein Begriff, wenn auch vermutlich mehr als 90er Dance-Remix oder wegen der Tatsache, dass das Lied wichtig für die Entwicklung des mp3-Formats war.
Und ich bin auch auf eine japanische Seite gestoßen in der jemand seine ganze Kindheit über glaubte es sei von Suzanne Vega und er könnte nur das korrekte Lied nicht finden.
Dabei ist es von "Jane and Barton" und die klingt schon anders als Vega.
Jane and Barton it's a fine day Und auch in dem original Video kommt die unangenehme Stimmung rüber. Offenbar eine Frau und ihr Kind, deren Mann respektive Vater des Jungen weg ist. Krieg, vermutlich? Alles ist einsam. Doch der eventuelle Postbote ist..etwas sehr präsent.
Es heißt oftmals, dass die Engel-Varianten als Ersatz erschienen seien, nachdem die Dämon-Werbespots abgesetzt wurden. Doch dem ist nicht so.
Die Engel-Werbespots waren die Vorreiter aus den 70er Jahren. Es gab offenbar 4 Stück davon und sie wurden sogar mit Preisen ausgezeichnet.
Deutung von mir:
in beiden Versionen gibt es unterschiedliche Untergründe. Ein mal recht nice, und ein mal eher rustikal.
Die Engel sitzen logischer weise oben, im Hintergrund ein Kirchturm oder ähnliches, sie sitzen auf Steintreppen, blauer Himmel und Dämonbaby und andere Frau sitzen in der verfluchten Werbung unten auf dem Stroh mit Blut-Background. Dort ist das Dämon-Kind eher passiv. In der anderen Version, in der es aktiv ist, sitzen sie auf einem weiß leuchtenden Untergrund.
Die Videos hängen also zusammen. Himmel und Hölle.
Die verfluchte japanische Kleenex-Werbung bringt Unheil:
Verfluchte japanische Werbung und der SankaiUnheimlich - Mystery Podcast #13 Autorin: Franziska Ahorn